«Wir müssen die Solidarität globalisieren»

02.08.2017
Alvaro Ramazzini mit einem Strauss Rosen in den Händen

«Guatemala ist ein reiches Land, die Menschen aber sind dennoch arm». Das sagt Alvaro Ramazzini, Bischof und Menschenrechtsaktivist, der mit uns zusammenarbeitet. Seit 35 Jahren setzt er sich für die Rechte der guatemaltekischen Bevölkerung ein. Setzt alles daran, dass die Menschen in Würde ein gutes Leben führen können.

Obwohl ein Grossteil des Landes auf der Halbinsel Yucatan fruchtbar ist, leiden insbesondere die Maya-Gemeinschaften unter grosser Armut. Bergbau- und Wasserkraftprojekte, Monokulturen von Ölpalmen, Zuckerrohr oder Gemüse gefährden die Umwelt und verschlechtern ihre Lebensbedingungen zunehmend. Doch gerade Land ist für die Maya Dreh- und Angelpunkt ihrer Kultur.

 

Bischof Alvaro Ramazzini erzählt, um die Situation im Land zu beschreiben, von einem Wasserkraftwerk, das im Norden des Landes gebaut werden soll. Doch die Bewohner des Landstriches werden nicht etwa miteinbezogen oder können ihre Bedürfnisse formulieren, sie werden einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. «Die Baufirma fährt mit ihren Maschinen auf. Das Land haben sie vom Staat erworben. Künftig werden sie das Wasser aus dem Fluss brauchen und verschmutzen. Das Wasser aber ist Lebensgrundlage für die Menschen, die dort wohnen. Die Bevölkerung fühlt sich missbraucht, dagegen formiert sich Widerstand.»

 

Das ist nur eines der Beispiele, die Bischof Ramazzini anlässlich seines Besuches in der Schweiz erzählt. Auf der Zugfahrt von Zürich nach Bern, wo er einen Vortrag zu der Menschenrechtssituation in Guatemala halten wird, schaut er immer wieder aus dem Fenster und ist beeindruckt von Landschaft, Flüssen und Bergen. «Guatemala ist auch ein reiches Land, aber im Gegensatz zur Schweiz sind seine Bewohner arm.»

Eingeschränkte politische Rechte

 

Ramazzini lächelt sanft und erzählt mit ruhiger Stimme von den Aktivisten, die in Santa Cruz Barillias gegen dieses Wasserkraftwerk protestiert haben und dass dabei eine Person starb. Er erwähnt Aktivisten, die im Justizzentrum von Santa Ulalia auf die Ungerechtigkeiten aufmerksam machen wollten. Einer der Anführer wurde angeklagt und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. «Das ist das legale politische System von Guatemala. Ungerechtigkeit und Einschüchterung herrschen vor. Der Bürger darf sich nicht für seine Interessen einsetzen. Die Wirtschaft hat sämtliche Freiheiten, während die Bevölkerung leidet.»

In Workshops lernen die Maya ihre Rechte kennen. Bild: Alicia Medina/ Fastenopfer

Dennoch sieht er auch eine vorsichtig positive Entwicklung seit den 30 Jahren, in denen er aktiv ist und sich unermüdlich für die Menschenrechte in seinem Heimatland einsetzt. Er anerkennt, dass die Regierung etwas durchlässiger geworden ist. Bei der Bevölkerung ist die Erkenntnis darüber, was Ungerechtigkeit ist, gewachsen und damit auch das Verständnis – oder besser gesagt – der Mut, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Auch hier unterstützen Fastenaktion und HEKS Projekte, die unter anderem Rechtsberatung und Workshops in Menschenrechtsarbeit anbieten. 

 

Dennoch hat sich die Situation Guatemalas in den letzten Jahren erneut verschlechtert. Die Menschen sind ärmer geworden, die Arbeitslosigkeit gestiegen und die Jugend sieht für sich nur wenige Chancen. So migrieren viele von ihnen in die USA und hoffen, dort Geld zu verdienen, nicht zuletzt um ihre Familien in der Heimat zu unterstützen. 

 

Dazu hat Bischof Ramazzini ganz klare Forderungen. «Wir müssen uns für unsere jungen Menschen einsetzen. Es braucht dringend eine Reform des Bildungsgesetzes. Zudem müssen die Defizite im Gesundheitswesen behoben werden. Es kann nicht sein, dass die Menschen keine ärztliche Betreuung bekommen und die Pharmaunternehmen ihre Produkte zu überteuerten Preisen anbieten, die sich der Grossteil der Bevölkerung nicht leisten kann».

 

Der Bischof und Konrad-Lorenz-Preisträger wird nicht müde, auf die unhaltbaren Zustände in seinem Land aufmerksam zu machen. Denn er ist überzeugt, dass er mit seinen Vorträgen, seinen Treffen mit Politikern und seinem unermüdlichen Einsatz Gleichgesinnte erreicht. Und kurz vor der Ankunft in Bern fügt er noch hinzu: «Ich bin überzeugt, dass wir die Solidarität globalisieren müssen, um der Wirtschaftsglobalisierung, die viele negative Auswirkungen hat, gemeinsam etwas Positives entgegenzusetzen.»

 

– Colette Kalt

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