In den nächsten Tagen kommt der Regen. Jean-Bernard Traoré* weiss es. Mit einer Hacke steht er auf seinem Feld, oder besser gesagt: auf dem, was ihm davon geblieben ist. Gleich daneben: einige Ruinen des alten Dorfes und der Zaun der Goldmine Bissa. Dahinter türmt sich die Abraumhalde. Und von irgendwo ist das Warnsignal eines rückwärtsfahrenden Kippers zu hören.
Die Hälfte seines Landes hat ihm die Mine genommen. Geblieben sind ihm zwei Hektaren, auf denen er Hirse, Mais und Niebé-Bohnen anbaut, um seine Familie zu ernähren.
Einst besass Traoré 40 Rinder, 20 Schafe und 30 Ziegen. Heute zählt er weniger als 30 Stück Vieh sein Eigen. Weil er nicht genügend Futter fand, sind die Tiere gestorben oder er hat sie verkauft. «Nach der Umsiedlung mussten wir von Neuem beginnen», sagt er. Traoré ist bitter enttäuscht. Ein Leben lang hat er gearbeitet, für sich und seine Familie. Jetzt mit 60 Jahren hat er das Gefühl, durch die Umsiedlung alles verloren zu haben: «In meinem Alter kann ich kein Geld mehr verdienen, um ein würdiges Leben zu führen.»
Hoffnungen vor der Umsiedlung
Die Umsiedlung könnte eine Chance sein, dachten einige Bewohnerinnen und Bewohner Bissas, als sie 2011 ihre Häuser verliessen, um der Goldmine des russischen Konzerns Nordgold Platz zu machen. 2783 Menschen waren betroffen. Der Konzern machte viele Versprechungen: neue Häuser, Arbeitsplätze für die Jungen, Brunnen, eine Schule, Gesundheitsposten usw. Vier Jahre später steht die Bevölkerung von Bissa als Verliererin da. Von einer Chance spricht heute niemand mehr – nur noch von den leeren Versprechen.
Schmuck sehen sie aus, die neuen Häuser, doch sie passen nicht zur Lebensweise der Menschen. Traditionell baut ein Vater je ein kleines Haus für sich, seine Frau, die Kinder und den verheirateten Sohn, gruppiert sie mit den Vorratsspeichern zu einem Hof und verbindet die Gebäude mit einem Mäuerchen. Eine solche Häusergruppe kann bei Bedarf erweitert oder verkleinert werden. Doch die Häuser im neuen Dorf sind rechteckig, starr und in Reihen angeordnet. Zwischen ihnen gibt es Mauern und Strassen. Eine Erweiterung ist unmöglich.
Weil Bodenbesitz im ländlichen Burkina Faso nicht schriftlich festgehalten ist, haben die Minenbetreiber nur Felder finanziell kompensiert, die zu diesem Zeitpunkt kultiviert wurden. Für Brachen gab es keine Entschädigung. Doch diesen kommt bei der Erholung der kargen Böden eine wichtige Rolle zu. Und wer eine Entschädigung erhielt, konnte sich damit kein Land kaufen: Land wird in den Dörfern nicht verkauft, nur vererbt. Wer sein ganzes Land verlor, musste hoffen, dass ihm andere etwas Land ausleihen.
Vergiftetes Wasser
Während die Schule effektiv gebaut wurde, fehlt im Dorf weiterhin ein Gesundheitsposten. Von den Jungen fanden nur fünf eine Stelle – und auch sie nur temporär. Am meisten zu schaffen macht den Menschen in Bissa aber das Trinkwasser: Nach einer Kontrolle schlossen zwei Mitarbeiter der Mine die neuen Brunnen. Wer davon trinke, kriege Krebs, hiess es. Eine Untersuchung durch Fastenaktion schaffte Klarheit: Der Arsengehalt ist deutlich zu hoch. Seither stehen Bissas Bewohnerinnen und Bewohner am Brunnen im Nachbardorf Sabcé Schlange – eine dreistündige Geduldsprobe.
Doch damit nicht genug: Wegen des Zauns müssen nun die Menschen von Bissa bei der Suche nach Brennholz oder Futter für das Vieh grosse Umwege machen. Und sie haben zwei wichtige Einkommensmöglichkeiten verloren: Dort, wo heute die Mine steht, haben die Männer früher selber nach Gold geschürft. Und weil die Kleinschürfer Geld hatten, konnten die Frauen ihnen Essen verkaufen. Die 25-jährige Mutter Florence Sawadogo fasst den durchlebten Wandel in einem Satz zusammen: «Früher lebten wir, heute überleben wir.»
Derzeit sorgen neue Gerüchte für Unruhe im Dorf. Angeblich soll die Mine erweitert und das Dorf nochmals umgesiedelt werden. Oder vielleicht wird doch nur eine weitere Zufahrtsstrasse gebaut? Die Bevölkerung fühlt sich mit ihren Sorgen alleingelassen: Mit den Verantwortlichen des Minenunternehmens gibt es keinen Dialog. Traoré hat die Gerüchte ebenfalls gehört: «Wohin sollen wir gehen? Es gibt keinen Ort, wo wir hingehen können. Es wäre sehr schwierig, uns nochmals umzusiedeln.»