Mit der Mine kam der Hunger

14.02.2016

Das Dorf von Azéta Ouédraogo* gibt es nicht mehr. Vor fünf Jahren kam ein Minenunternehmen und hat das alte Bissa in Burkina Faso zerstört. Heute lebt die 13jährige zwei Kilometer entfernt im neuen Dorf Bissa. Auf den ersten Blick scheinen die Häuser schöner, dennoch ist sie in ihrem neuen Zuhause nicht glücklich. Im Interview erklärt Téné, wie sie von ihren Freundinnen genannt wird, weshalb. Téné bedeutet in der Sprache Mòoré „an einem Montag geboren“.

 

Du kommst von der Feldarbeit. Was hast Du gemacht? Ich habe von 9 bis 13 Uhr mit einer Hacke Zaï-Löcher gegraben. Es war sehr hart. Sobald in den kommenden Tagen die Regenzeit beginnt, werden wir die Löcher mit Kompost füllen und darin die Saat für die Hirse ausbringen.

 

Arbeitest Du viel? Jetzt in den Ferien arbeite ich sieben Stunden am Tag: Zaï-Löcher graben, Wasser holen, Holz suchen, kochen oder Kleider waschen. Die Ferien dauern von Mai bis Oktober. In der Schulzeit sind es zwei Stunden Hausarbeit. Viele Arbeiten nehmen mehr Zeit in Anspruch wegen der Mine.

 

Wieso? Zwar haben wir einen Brunnen im neuen Dorf, doch der ist verschmutzt. Für sauberes Wasser muss ich mit einem Eselkarren ins benachbarte Sabcé. Das sind zwar nur etwa drei Kilometer, aber wegen der Warteschlange bin ich erst nach drei Stunden zurück. Und um Holz zu sammeln oder um unser Vieh weiden zu lassen, muss ich wegen des Zauns der Minenfirma einen Umweg machen.

 

 
 

Gefällt Dir Dein neues Zuhause? Im alten Dorf war es für mich einfacher, mich zu amüsieren: Ich lebte Tür an Tür mit meiner Cousine Jacqueline, meiner besten Freundin. Jetzt sind unsere Häuser über 300 Meter voneinander entfernt. Auch wirtschaftlich geht es uns seit der Umsiedlung schlechter. Weshalb? Meine Familie hat vier Hektaren Land verloren. Heute leben wir von dem, was die eine Hektare hergibt. Viele unserer Tiere sind gestorben, weil sie nicht genug zu fressen fanden. Geblieben sind uns gerade noch drei Schafe und sechs Ziegen. Von Mai bis zur Ernte im Dezember herrscht bei uns Soudure. So nennen wir die Zeit, in der die Nahrungsmittel knapp werden. Dann essen wir nur zweimal im Tag. Im alten Dorf kannten wir keine Soudure. Früher haben Kleinschürfer in Stollen neben dem Dorf von Hand nach Gold gegraben. Die Arbeiter hatten Geld und unsere Familie hat vom Kleinhandel profitiert. Jacqueline und ich haben Gebäck verkauft und uns mit dem Gewinn Kleider gekauft und den Coiffeur bezahlt. Als die Firma mit mit ihren Bulldozern und Lastwagen kam und daraus eine industrielle Goldmine machte, fiel dieses Einkommen weg.

 

Wovon träumst Du? In meinem Traum lebe ich mit meiner ganzen Familie zusammen, mit meinen Onkeln, Tanten Cousinen und Cousins. Und da ist auch Platz für Menschen, denen es nicht so gut geht, die sich nicht gut aufführen, die krank sind, die keine Eltern haben.

 

Dein Berufswunsch? (Nach einigem Zögern) Ich will Ärztin werden, denn es gibt viele junge Menschen, die krank sind und sich nicht selber pflegen können. Ihnen will ich helfen.

 

Was ist für Dich wichtig? Eine Toilette ist wichtig, um die Hygiene einzuhalten.

 

Was bedeutet für Dich Verantwortung? Wenn eine Person etwas zu sagen hat, was andere tun müssen. Es braucht Respekt für diese Person. Die Person muss aber erreichen, dass die Menschen miteinander solidarisch sind.

 

Wann trägst Du Verantwortung? Wenn während des Unterrichts der Lehrer abwesend ist, bin ich als Gruppenchef verantwortlich, dass die anderen weiterarbeiten und nicht zu schwatzen beginnen. In meiner Klasse sind wir 52 Schülerinnen und Schüler.

 

Weisst Du wohin das Geld aus der Mine geht? Keine Ahnung. Gold braucht es für Schmuck wie Ohrringe, Halsketten, Armreife.    

 

Aufgezeichnet: Patricio Frei